Online-Seminar der Arbeiterwohlfahrt (AWO) enthüllt, wie Verschwörungserzählungen funktionieren und wie jeder im eigenen Umfeld gegensteuern kann.
Die Mondlandung hat es nie gegeben. Hinter den Anschlägen am 11. September steckt die US-Regierung selber. Und – auch das glauben manche - die Erde ist eine Scheibe.
Die Liste der Verschwörungserzählungen ist lang und wird gerade in Corona-Zeiten immer länger. Ein für alle Interessierte offener und kostenloser Online-Workshop im Rahmen des Projekts der bayerischen Arbeiterwohlfahrt „AWO l(i)ebt Demokratie“ beschäftigte sich nun eingehend mit dem Phänomen, gab zahlreiche Handlungsempfehlungen und stieß hierbei auf große Resonanz. Rund 40 Personen, darunter auch einige Teilnehmende aus Schwaben, tauschten sich intensiv aus. Darüber durften sich Projektleiterin Julia Gerecke und Referent Wolf van Vugt vom Berliner Verein „Bildungsbausteine“ freuen. Dr. Heinz Münzenrieder, Präsidiumsvorsitzender der AWO Schwaben und Mitglied im AWO-Landesvorstand, hatte sich bereits im Vorfeld für das Bildungsangebot ausgesprochen. Verschwörungserzählungen seien weit mehr als eine „harmlose Spinnerei“. Münzenrieder wörtlich: „Das Seminar trifft genau den Kern der Sache und ist hochaktuell. Natürlich werden auch die absurdesten Vorstellungen vom hohen Gut der Meinungsfreiheit getragen. Allerdings haben diese durch die heutige Medienlandschaft eine ‚Verbreitungsquantität‘ wie noch nie.“ Für ihn steht daher fest: „Wir müssen uns daran erinnern: Das Grundgesetz geht von einer streitbaren Demokratie aus. Daher müssen wir uns offensiv mit solchen ‚verqueren‘ Gedanken auseinandersetzen und deren demokratiefeindliche Elemente entlarven. Dies sind wir unserer Verfassung schuldig.“
Warum aber kommen einer ganzen Reihe an Menschen trotz aller wissenschaftlicher Fakten so oft Zweifel? Warum halten sie an zuweilen abenteuerlich klingenden Denkweisen fest? Laut Diplom-Politologe Wolf van Vugt steckt dahinter einerseits eine ausgeprägte Skepsis gegenüber öffentlichen Quellen und etablierten Medien, andererseits aber auch der Wunsch, angesichts bestehender Unsicherheiten, die eine komplexe Welt mit sich bringt, wenigstens ein Stück weit Kontrolle und Orientierung zurückzugewinnen. „Das funktioniert besonders gut, wenn man ein Problem personifiziert, das heißt jemandem die Schuld daran geben kann“, erklärt van Vugt. Doch auch das tiefliegende menschliche Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit spielt eine Rolle. Wer sich beispielsweise als Teil der „Querdenker-Bewegung“ versteht, bekommt übers Internet und in den sozialen Medien vielfache Bestätigung und besonders leichten Zugang zu Gleichgesinnten. Das wirkt wie ein Verstärker.
Um das abstrakte Thema erfahrbar zu machen, bot das Online-Seminar den Teilnehmenden in Kleingruppen die Gelegenheit, selbst eine Verschwörungserzählung auszuarbeiten und zu vertreten. Eine andere Gruppe sollte dann die Gegenargumente anbringen. „Das fällt den meisten Menschen deutlich schwerer, denn ein Verschwörungsdenkmuster bildet sich über viele Wochen und Monate. Viel Zeit also, sich damit zu beschäftigen. Wer hier spontan gegenargumentieren will, hat Nachteile“, so van Vugt. Vor allem im eigenen Umfeld solle man es dennoch versuchen. Die Tipps des Referenten hierfür lauten: Ruhig und sachlich vorgehen, nicht abwertend kritisieren, zwischen der Person und der Sache trennen und sich auf wenige Argumente konzentrieren. Wichtig sei auch, die Gefühle des Gegenübers zu verstehen und anzubieten, gemeinsam die Fakten in verschiedensten Medien zu recherchieren. Kommt man so nicht weiter, können Fachleute hinzugezogen werden, etwa die Mitarbeitenden des Aktionsbüros Demokratie beim AWO-Landesverband oder die bundesweit tätigen Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus.
Symbolbild: Pixabay/Montage: Daniela Ziegler