Böse Emanzen und schlechte Männer, hysterische Weiber und rücksichtslose Machos: In der Diskussion um Gleichstellung geht es auch ohne solche Klischees, wie eine vierstündige Konferenz der Arbeiterwohlfahrt Schwaben im Augsburger DA F.U.N.K.-Tanzstudio mit rund 150 Teilnehmern zeigte.
„Heute ist Zeit für Gespräche über die tollen Chancen, über die neuen Möglichkeiten, über die schöne Seite einer Gleichberechtigung die eine Bereicherung ist und uns alle zu Gewinnern macht“, betonte die stellvertretende Präsidiumsvorsitzende und Gleichstellungsbeauftragte der AWO Schwaben, Brigitte Protschka.
Welch ein Hindernis das althergebrachte und nur im Lauf von Jahrzehnten zu überwindende Rollenverständnis ist, verdeutlichte Psychologe und Buchautor Björn Süfke, indem er fach“männisch“ und zuweilen humorvoll den Männern aus der Seele sprach. Einen weiteren Hauptredebeitrag lieferte die Europaabgeordnete Maria Noichl. Die Moderation übernahm Anna Pfeiffer, Präsidiumsmitglied der Bundes-AWO.
Zunächst aber ergriff Bürgermeister Dr. Stefan Kiefer das Mikrofon. „Gleichberechtigung steht seit 1919 in der Verfassung. Geschrieben heißt aber nicht auch gelebt. Auf beiden Seiten muss sich noch viel ändern. Frauen, ermuntert auch die Männer, diesen Weg zu gehen“, sagte er und nannte einige Maßnahmen der Stadt Augsburg zur Förderung von Gleichstellung, darunter die Aufstockung der Kinderbetreuungsplätze auf 13000 in der vergangenen Wahlperiode. 3000 weitere seien geplant. Kiefer erwähnte ferner die Erweiterung des Augsburger AWO-Frauenhauses, Maßnahmen zur Integration von Frauen mit Migrationshintergrund sowie eine Fachstelle der Jugendarbeit, in welcher das typisch männliche Rollenbild in Partner- und Elternschaft aufgearbeitet wird.
Süfke bezeichnete dieses Bild als das Gesetz der „Traditionellen Männlichkeit“. Ein Dilemma, denn Mann sein heiße demnach, keine Gefühle zu zeigen, keine Dinge zu tun, die mit Frauen assoziiert werden und auf keinen Fall zu versagen. Wer aus dieser Rolle ausbreche, werde ausgelacht, manchmal ende es sogar in Selbstverachtung. Dabei ließ es Süfke nicht aus, auch von seinen Erfahrungen als fürsorglicher Vater zu erzählen. „Da werde ich dann gelobt, wie toll ich das mache. Das ist eine Diskriminierung, wenngleich eine positive. Ich will doch einfach nur Vater sein! Der Gewinn in der Gleichstellung liegt unter anderem im Zugang zu unseren Kindern und in einer normalen Vaterschaft.“ Wie das Ehepaar Mercedes und Stefan Mende – beide arbeiten Vollzeit und teilen sich gleichberechtigt die Kindererziehung – hinzufügten, sei dann auch Schluss mit schiefen Blicken, wenn berufstätige Frauen keinen selbstgebackenen, sondern gekauften Kuchen in die Kita brächten oder Männer früher die Arbeitsstelle verließen, um die Kinder von der Kita abzuholen.
Europaabgeordete Maria Noichl argumentierte mit dem in den Kopenhagener Kriterien festgelegten Versprechen der europäischen Länder, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu arbeiten, die Menschenrechte einzuhalten und weiterzuentwickeln sowie Minderheiten zu achten und zu schützen. „Wenn wir mal den Blick von Afrika nach Europa werfen, dann leben wir hier an einem gleichstellungspolitischen Sehnsuchtsort. Wir selber aber entdecken bei uns noch viele verdammt große Baustellen“, so Noichl. Die Lohnlücke sei „zum Schämen“. In Großbritannien betrage sie 41 % zwischen Frauen mit Kindern und Männern. Die größte Gruppe der Menschenrechtsverletzungen in Europa bildeten Frauen. Frauen machten 52 % der Bevölkerung aus, stünden aber hintenan, wenn’s um die politische Macht gehe. Ein Überraschungsei in Rosarot und andere Spielsachen speziell für Mädchen förderten Rollen- und Berufsbilder, stellte Noichl ferner fest. Es sei darüber hinaus wissenschaftlich erwiesen, dass gleichgestellte Gesellschaften friedlicher seien.
Und wie sieht’s bei der AWO Schwaben aus? „Väter in Elternzeit – auch in Leitungsfunktionen – sind genauso zu finden wie Führungsfrauen, die Teilzeit arbeiten. Eine Gleichstellungsbeauftragte kümmert sich sowohl im Haupt- als auch im Ehrenamt um die paritätische Besetzung von Führungspositionen, um flexible Arbeitszeitmodelle, geschlechtergerechte Sprache und vieles mehr“, sagte Brigitte Protschka, die in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf den Hauptanker für Gleichstellung sieht.