Arbeiterwohlfahrt Schwaben würdigt im Augsburger Textil- und Industriemuseum das 100-jährige Jubiläum. Rund 150 Gäste blickten auf Vergangenes, Gegenwart und Zukunft. „Die Hauptaufgabe der deutschen Frau liegt nicht im Erreichen von vermeintlichen Rechten, in denen sie es ihrem Manne gleichtun kann, sondern in der stillen Arbeit im Hause und in der Familie“, hallte es barsch durchs Foyer des Augsburger Textil- und Industriemuseums.

Was war da los? Julia Jaschke und Annette Wunsch vom Theater Kempten waren in Männeranzüge geschlüpft und zitierten unter anderen Kaiser Wilhelm II. Man schrieb damals das Jahr 1916. Zwei Jahre später und 23 Jahre, nachdem die SPD erstmals einen Antrag auf Einführung des Frauenwahlrechts gestellt hatte, kamen die Frauen doch noch vom Herd an die Urne. Dass hierbei auch Impulse aus Augsburg kamen - Textilarbeiterinnen wie Aurelia Deffner kämpften für ihre Rechte -, zeigte eine Rückschau auf 100 Jahre Frauenwahlrecht im geschichtsträchtigen und daher passend gewählten Bauwerk.

Eingeladen zu dieser vielschichtigen Gala hatte die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Schwaben. Es begrüßte deren stellv. Präsidiumsvorsitzende und Gleichstellungsbeauftragte, Brigitte Protschka, die sich sehr wohl darüber bewusst war, dass „das Thema Gleichstellung nicht immer Begeisterungsstürme auslöst“. Dennoch sei unbestritten, dass es an einigen Stellen noch nicht gelungen ist, die Frauen gleichberechtigt zu beteiligen, fuhr sie fort und verwies auf die Armutsgefährdungsquote im Alter in Bayern. Zweidrittel der Betroffenen seien Frauen.

Rund 150 Gäste aus Wohlfahrt, Wirtschaft und Politik verfolgten die Grußworte, eine historische Einführung ins Thema, die szenische Theater-Lesung, die Musik von Gwen Luna und Frederik Haug, sowie eine Podiumsdiskussion (moderiert von Angie Stifter), um sich anschließend bei sommerlich-leichten Genüssen des Restaurants nunó weiter auszutauschen. Neben der Würdigung des Jubiläums und solch berühmter Namen wie Marie Juchacz, die am 19. Februar 1919 als erste Frau in einem deutschen Parlament eine Rede hielt, stand auch die jüngere Geschichte und die Gegenwart im Fokus. „Als sich meine Mutter in den 70er und 80er Jahren unter anderem für Frauenrechte politisch einsetzte, habe ich als junge Frau gedacht, das ist doch total bescheuert. Es ist doch alles längst gegessen. Ich habe sie erst verstanden, als ich angefangen habe, mich selbst politisch zu engagieren“, sagte die Augsburger Bürgermeisterin Eva Weber und nannte als Beispiel das Ungleichgewicht von Frauen und Männern in den Parlamenten und insbesondere in ihrer eigenen Partei. Zugang zu Führungspositionen, Lohnunterschiede, Vereinbarkeit von Familie und Beruf seien weitere Fragestellungen, die sich auf Frauen viel stärker auswirkten als auf Männer. Es gehe aber auch um die „Schrauben im Kopf“. „Mit 33 Jahren wurde ich Augsburger Wirtschaftsreferentin. Da habe ich mich schon gefragt, habe ich den Mut, das zu tun, und will ich diese Macht haben. Aber gerade vor der Macht dürfen Frauen keine Angst haben“, führte Weber aus und forderte Frauen dazu auf, mithilfe dieser Macht mitzugestalten, mutig ihren Weg zu beschreiten und sich gegenseitig zu unterstützen.

Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Dr. Simone Strohmayr sprach sich für die Frauenquote bei gleichwertiger Qualifikation aus, ging aber auch auf die eher dem sozialen Sektor zugeneigte Berufswahl der Frauen ein. „In einer mathematisch-technischen Klasse, die ich unlängst besuchte, war kein einziges Mädchen. Manchmal klappt an Schulen das Heranführen an diese Berufe aber schon ganz gut. Es gibt noch ganz viel zu tun“, sagte sie und forderte zudem höhere Löhne sowie eine Tarifbindung in Erziehungs- und Pflegeberufen. Die Unternehmersicht vertraten Mario Dalla Torre und Tanja Thalmeier vom Vorstand der Bau- u. Siedlungsgenossenschaft Allgäu. Frauenförderung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden dort mit guten Resultaten gelebt. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Augsburg, Barbara Emrich, ging auf eine Gesellschaft ein, in der Gewalt an Frauen, Sexismus und Prostitution zur Realität gehören. „Eine Frau, auch eine gut ausgebildete, die das schon mal erlebt hat, verhandelt nicht so kraftvoll ums Gehalt.“ Ulrike Alban, Leiterin des Zentrums für Aidsarbeit Schwaben (ZAS) hatte insbesondere junge, benachteiligte Menschen, mitunter jene aus anderen Kulturkreisen, im Blick. Diese seien zu stärken. Erst dann seien sie in der Lage, sich entsprechend politisch zu beteiligen.

Dass es statt solcher Fortschritte in Zukunft möglicherweise auch eine Kehrtwende in Gleichstellungsfragen geben könne, darum sorgte sich die Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr im Hinblick auf die AfD, die in den sozialen Medien eine Kampagne gegen einen angeblichen „Gender-Wahn“ lostrat. Das Wahlrecht, so betonte sie, sei den Frauen nicht geschenkt worden, man habe hart dafür gekämpft. „Auch Männer haben sich immer wieder an der Seite von Frauen engagiert. Und das war klug, denn in einer gerechten und solidarischen Gesellschaft profitieren am Ende alle, Männer wie Frauen.“